KERB und KERBBURSCHEN
Kerbtradition
Früher begann die Kirchweih (in der Mundart Kirb genannt) am ersten Sonntag im September und wurde in den Wirtschaften/Gasthöfen gefeiert. Nach dem Kerbauftakt am Samstagabend und dem Kerbtanz am Sonntagsnachmittag zogen am Kerbmontag die Kerbburschen zusammen mit der Kerbkapelle durch den Ort und sammelten von wohlgesonnenen Bürgern „Eier und Speck“ , die dann in der Wirtschaft verspeist wurden. Dabei wurde immer auch der Spruch: Wem is die Kirb ? – Uuss !! sehr lautstark von den Burschen ausgerufen. Diese Tradition ist vergleichbar mit dem Schubkarren-Rennen in Roßdorf, dem Gickelschlag in Rodenbach oder dem Bachtanz in Langenselbold.
Beim sogenannten „Kerbsuchen“ wurde irgendwo im Haus oder Hof einer Familie eine Flasche Schnaps oder Wein versteckt welche die Kerbburschen zu finden hatten. Dabei wurden sie von einem Pferdegespann und dem „Laarewoache voll met schiene Määrechen““ (Leiterwagen voller schöner Mädchen) und vielen Kerbgesellschaftern begleitet.
Ein Ritual war das Messen durch den Messgehilfen der die ca. 3 m lange Messlatte schwang und mit lautstarker Unterstützung der Anwesende zählte. Von ihm wurden die gemessenen Meter an den Protokoller weiter gegeben. Klar, dass man oft nichts fand. Zum Trost, so schrieb es der Brauch vor, hatte die Kerbgesellschaft von der Hausfrau „Speck, Wurst und Eier oder Getränke“ bekommen. Dieser Vorgang wiederholte sich bei jedem Anwesen, bei dem gesucht wurde, solange bis man die Kerb fand. Dabei ging es mitunter sehr feucht-fröhlich zu. Es kam durchaus vor, dass der Keller „geplündert“ und ausgeräumt wurde, der Vorrat und Wein, Schnaps und selbstgemachten Apfelwein verlustig ging.
Die Kerbgaben wurden in einem mitgeführten Handwagen (Stoßkarren) verstaut und am Ende der langen Suche im Gasthaus ausgebreitet und noch am gleichen Tag verzehrt.
Wer von den Heimgesuchten ein Kerbgeschenk verweigerte, auch das soll wiederholt vorgekommen sein, mit dem wurde allerhand Schabernack getrieben. Holzstapel wurden auseinandergerissen, die Kuh im Stall abgebunden, der Leiterwagen auf die Straße geschoben oder einfach das Hoftor ausgehängt. Materielle Schäden hat es aber in all den Jahren nicht gegeben.
Nach dem 2. Weltkrieg lebte diese Tradition wieder auf. 1947 feierte man die erste „Nachkriegskerb“ in Usthem. Bis weit in die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren die Kerbtage hohe Dorffeiertage. War es doch meist das einzige Mal im Jahr wo zum Tanz aufgespielt wurde. Die Einzelhandelsgeschäfte blieben am Kerbmontag und Dienstag geschlossen, die Handwerksbetriebe machten zur Mittagszeit „dicht“ und wer angestellt arbeitete, nahm sich Urlaub. Auch die Arbeit auf dem Feld ruhte. Verwandte und Bekannte von außerhalb wurden erwartet und mit Riwwelkouche (Streuselkuchen) und original „Usthemer Mattekouche“ (Käsekuchen) bestens versorgt.
Die Gaststätten waren mit Speis und Trank bestens gerüstet und alle zeigten ihren Zusammenhalt in der Dorfgemeinschaft. Dabei gab es, mit fortgeschrittenem Getränkeverzehr, so den ein oder anderen Unfug. Man trank, sang, redete und fand schnell zueinander: Der Metzger mit dem Bäcker, der Landwirt mit dem Schäfer, der Arbeiter mit dem Apotheker und auch der Bürgermeister ließ seine Amtsgeschäfte ruhen. Zur „Kirb“ war eben immer etwas los, Spaß wurde nicht geplant sondern er wuchs zufällig aus der Situation heraus.
Als unser Dorf 1974 seine Unabhängigkeit (Eingemeindung nach Nidderau) verlor, verlor auch die Kerb an Bedeutung. Alte Dorfrituale waren einfach nicht mehr „inn“ und galten als rückschrittlich. Nicht zuletzt die Schließung von drei Wirtshäusern mit Tanzsälen machte der althergebrachten Kerb den Garaus.